Mastodon: Microblogging in freundlicher Atmosphäre

© dopatwo; Quelle: Wikipedia
Redet man vom Fediverse, ist Mastodon meist der erste Dienst, der „Kennern” in den Sinn kommt. Sein Namensgeber (das Mastodon oder auch der Mammut) ist auch gleichzeitig sein Maskottchen, und taucht daher an vielen Stellen auf: Im Logo, als Default-Profilbild (Avatar) sowie als Platzhalter allerorten.
In dieser Artikel-Serie:
- Teil 1: Das Fediverse – die bessere Social-Media-Welt?
- Teil 2: Mastodon: Microblogging in freundlicher Atmosphäre
- Teil 3: PeerTube: Peer-to-Peer Videos ohne Werbeeinblendungen
- Teil 4: Weitere dezentrale Dienste
- Teil 5: Apps
Was ist Mastodon?
Mastodon ist ein Microblogging Dienst, der sich am ehesten mit Twitter vergleichen ließe. Obwohl er in vielen Dingen von Twitter abweicht: Ein „Tweet” heißt hier „Toot“ und kann statt 280 Zeichen bis zu 500 lang sein, er wird „geboostet” statt „retweetet“ – und da wir uns im Fediverse befinden gibt es nicht einen zentralen Server, sondern tausende, die miteinander verbunden sind („föderieren”). Die einzelnen Server werden von ihren jeweiligen eigenen Admins betreut, die ihn in der Regel auch selbst aufgesetzt haben: Die Software ist frei verfügbar, jeder kann also seinen eigenen Server betreiben, der sich dann als „Instanz” in die Föderation integrieren lässt. Und so gibt es Instanzen verschiedenster Größe: vom kleinen „Familien-Server” über Instanzen kleinerer Vereine/Interessengruppen bis hin zu „Flagschiff-Instanzen” mit tausenden registrierten Nutzern.
Ins Leben gerufen wurde Mastodon von Eugen Rochko aus Jena. Er startete mit der Entwicklung im März 2016, und machte das Projekt zuerst am 5. Oktober 2016 auf Hacker News öffentlich bekannt. Auch wenn es zunächst nur in Frankreich und Japan „viral ging“, hat der Rest der Welt mittlerweile bereits gut aufgeholt.
Und was ist nun an Mastodon so besonders, aus Nutzer-Sicht? Ein Anwender namens „Der Tillste” fasst es recht gut zusammen:
[Ich mag Mastodon], weil ich hier selbstbestimmt unterwegs sein kann. Niemand, der mir Werbung rein drückt, niemand, der mir meine Timeline vorsortiert, niemand, der meine Daten verkauft. Keine salty Community, keine russischen Rechts-Außen-Bots. Stattdessen sehr viele liebe und verrückte Menschen, die größtenteils so ticken wie ich. Und die Extremisten, die hier unterwegs sind, kann ich selbstbestimmt einfach blockieren.
Wie benutzt man Mastodon?
Der Möglichkeiten sind viele. Um sich zunächst einen Überblick zu verschaffen, genügt der Webbrowser der Wahl. Auch auf mobilen Geräten. Spürt man später den Bedarf, kann man auch zu „nativen Anwendungen” wie mobilen Apps oder auch Desktop-Clients greifen (siehe unten). Sie alle funktionieren nach dem gleichen Prinzip, so dass der Wechsel kein großes Umlernen erfordern sollte. Eine kurze Einführung findet sich beispielsweise im Video Was ist Mastodon?
Timelines
Anders als bei Twitter (wo ein unbekannter Algorithmus die Nachrichten sortiert), haben wir bei Mastodon Zeitleisten („Timelines“), die Toots werden also in chronologischer Ordnung angezeigt. In der Reihenfolge, mit welcher Geschwindigkeit sie sich für gewöhnlich füllen, wären da
- die Mitteilungen, die an einen selbst gerichtet sind
- die „lokale Zeitleiste”: alles, was auf der eigenen Instanz getootet wird
- die „föderierte Zeitleiste”: hier steppt der Bär. Alles, was auf sämtlichen Instanzen, die der lokalen Instanz bekannt sind, getootet wird
Dann gibt es noch weitere Ansichten, die streng genommen keine Zeitleisten sind:
- Liste der Toots, die man als Favoriten markiert hat
- Profilverzeichnis: Liste von Teilnehmern, die ihr Profil für diese freigegeben und mit #Hashtags versehen haben. Hier kann man nach interessanten Leuten Ausschau halten, denen man vielleicht folgen möchte.
Tooten
Eine Nachricht zu verschicken nennt man „Tooten” (die Nachricht selbst „Toot”). Diese kann Text, aber auch Bilder oder Videos enthalten. Hat man ein Bild oder Video an einen Toot gehängt, kann man dieses auch mit einer Beschreibung versehen; damit erleichtert man es Teilnehmern, die aufgrund von Sehschwäche auf Screenreader angewiesen sind, auch diese Inhalte zu erfassen. Hat man Bedenken, der Inhalt des Toots könnte andere aufwühlen, lässt er sich auch hinter einem „Content Warning” (CW) verstecken: Zum Lesen/Ansehen desselben muss dann zunächst der Wille dazu mit einem „Klick” bestätigt werden.
Andere Mastodon-Teilnehmer kann man direkt ansprechen, indem man ihren Namen mit vorangestelltem @
erwähnt. Auf der eigenen Instanz genügt dazu der einfache Nickname (etwa @peter
). Ist der angesprochene auf einer anderen Instanz zu Hause, muss es der vollständige Name sein – beispielsweise @IzzyOnDroid@floss.social
. Wie von anderen Sites gewohnt gibt es auch #Hashtags, die das Auffinden von Toots über die Suchfunktion (oder auch das Ausfiltern aus der eigenen Timeline) ermöglichen. Außerdem ist es möglich die Sichtbarkeit des Toots zu steuern: Soll sie nur der Angesprochene sehen („Direktnachricht”), nur alle Follower – oder ist sie für die Öffentlichkeit bestimmt?
Eigene und andere Toots kann man „Boosten”, um sie mit den eigenen Followern zu teilen. Oder sie „favorisieren” – also mit einem Stern versehen (damit zeigt man für gewöhnlich, dass einem der Toot besonders gefällt; manch einer nutzt das aber auch einfach als „Lesezeichen”).
Wie wähle ich meine Instanz?
Wie eingangs beschrieben, gibt es mittlerweile tausende Mastodon-Instanzen. Das kann zunächst verwirren, weil man das von den „herkömmlichen Services” so nicht kennt. Denkt man aber beispielsweise an E-Mail, klingt es gar nicht mehr so verrückt: Auch hier gilt es, einen Anbieter zu finden, der den eigenen Vorstellungen entspricht. Und man findet an einigen Orten Hilfestellung – zum Beispiel in Form von Listen, die sich teilweise auch sortieren lassen:
- Deutschsprachige Mastodon Instanzen führt eine Reihe von Instanzen auf, deren primäre Sprache Deutsch ist. Zusammen mit kurzen Anmerkungen, leider nicht mehr aktualisiert, mittlerweile archiviert, und ohne Sortierfunktion. Eine aktuellere Liste findet sich hier.
- Instances.social: eine riesige Liste, die sich aber nach eigenen Kriterien sortieren lässt: Anzahl registrierter User, Ausfallsicherheit, technische Sicherheit, offen für neue Registrierungen… Auch eine Suchfunktion ist vorhanden, die das Filtern erleichtert (z. B. auf deutschsprachige Instanzen einschränken kann).
- joinmastodon.org: Die offizielle Seite. Bietet Filter für Sprache und Kategorie/Thema, führt aber nur ausgewählte Instanzen.
Tipps für die Instanz-Wahl
- Sprache: Es muss vielleicht nicht unbedingt Deutsch sein. Verständigen sich allerdings 90% der „Einheimischen” in einer Sprache, derer man nicht mächtig ist, ist das nicht unbedingt förderlich.
- Thema: Viele Instanzen haben sich einem zentralen Thema verschrieben (beispielsweise Kunst oder Technik). Möchte man sich schwerpunktmäßig zu einem bestimmten Thema austauschen und Gleichgesinnte einfach finden, bietet sich eine Instanz mit dem passenden Fokus an. Abweichende Themen sind in der Regel nicht verpönt – und wer will, kann sich ja auch bei einem „Zweitwohnsitz” anmelden (also einen zusätzlichen Account auf einer anderen Instanz anlegen).
- Regeln: Jede Instanz hat auch ihren eigenen „Kodex”, der sich meist auf der Unterseite
/about/more
findet (z. B.https://norden.social/about/more
). Mit diesem sollte man sich anfreunden können. Und möchte man gern von „anstößigen Inhalten” verschont werden freut man sich, wenn die gewählte Instanz diese untersagt. - Größe: „Nimm viel“ hilft nicht unbedingt viel. Da die Instanzen untereinander verbunden sind ist es meist besser, sich nicht die größte Instanz auszusuchen. Insbesondere auf den Flagschiff-Instanzen lassen sich sonst die lokale und die föderierte Zeitleiste kaum noch auseinander halten, weil einfach zu viel los ist.
Hat man eine Vorauswahl getroffen und kann sich nicht endgültig entscheiden, verfolgt man zunächst die „lokale Zeitleiste” für ein Weilchen, um ein Gefühl für die Instanz zu bekommen: Mit etwas Glück hat der jeweilige Admin die Seite /public
auf selbige eingestellt, wie etwa bei https://norden.social/public
. Oder man schaut auf die Unterseite /explore
um zu sehen, wer sich dort so rumtreibt. Alternativ kann man sich natürlich auch von Freunden beraten lassen, die bereits bei Mastodon unterwegs sind.
Native Anwendungen
Eine kleine Auswahl verfügbarer Anwendungen, die keinesfalls vollständig ist:
Desktop
- Hyperspace: Linux, Mac, Windows
- toot: Kommandozeile (benötigt Python)
- Tootle: Linux (nicht mehr gepflegt)
- Whalebird: Linux, Mac, Windows (Mastodon & Pleroma)
Firefox Addons
- Mastodon – Simplified Federation!: für diejenigen, die häufig auf „fremden Instanzen“ herumstromern
- Collapsed Mastodon: Optimisierung für die „TweetDeck“ Ansicht
Mobil
- Amaroq: iOS
- Mast: iOS
- metatext: iOS
- Toot!: iOS
- Tusky: Android
- Fedilab: Android; deckt einen Großteil des Fediverse ab: Mastodon, Pleroma, Peertube, GNU Social, Friendica & Pixelfed
- weitere Android Clients
Statistiken
Die Zahlen ändern sich eigentlich täglich – und so oft kann ich diesen Artikel gar nicht aktualisieren. Der Account Mastodon Users hingegen veröffentlicht stündlich den Stand für alle ihm bekannten Instanzen. Zum jetzigen Stand gibt es demnach derzeit fast vier Millionen Mastodon-User.
Aber auch wenn die Userzahlen beständig steigen: Hin und wieder passiert es, dass eine Instanz schließt – etwa weil der Betreiber aus persönlichen Gründen aufgeben muss und sich kein „Nachfolger“ findet. In der Regel wird das mit ausreichend Vorlauf angekündigt (eine Ausnahme ist mir bislang noch nicht begegnet), sodass die Mitglieder Zeit für einen Umzug haben. Glücklicherweise bietet Mastodon mittlerweile die Möglichkeit der „Migration“, bei der die meisten Daten mitgenommen werden (von Eugen hier kurz erklärt). An der Verbesserung dieses Features wird auch noch gearbeitet: Derzeit werden beispielsweise die Toots selbst noch nicht migriert (wohl aber die Follower-Verbindungen). Fehlendes lässt sich jedoch manuell über die Export/Import Funktionen in den Einstellungen übernehmen.
Ebenfalls erwähnt werden sollte, dass nicht alle Instanzen mit der gleichen Sorgfalt moderiert werden. Seid daher insbesondere in der föderierten Zeitleiste vor- und nachsichtig. Wird es besonders arg, kann man natürlich ggf. dem Admin der eigenen Instanz einen Hinweis geben, der auch die eine oder andere Möglichkeit hat – und schlimmstenfalls die „ärgerliche Instanz“ aus der Anzeige entfernt.
Tipps
Twitter-Accounts folgen
Wer gerade von der „Bird-Site“ kommt, kann auch den dort „Hinterbliebenen“ folgen – wenn auch nur lesend. Dafür gibt es so genannte „Bridges“ („Brücken“). Damit nicht anderen Leuten die Timelines voll gespammt werden, macht man das besser „persönlich“, statt für alle lesbar zu „cross-posten“. Ein Dienst, der dies anbietet, ist BirdSiteLive. Dort trägt man das Twitter-Handle des gesuchten Birdie-Accounts ein, und erhält sodann ein Fediverse-Handle genannt; diesen kopiert man einfach in die Suchmaske auf der Mastodon-Weboberfläche (siehe obigen Screenshot), drückt die Eingabetaste, und klickt schließlich auf den „Kopf mit dem +“ – fertig.
Wer sich wundert: Wie im Fediverse üblich, gibt es auch bei diesem Dienst mehrere Instanzen. Hier ist das doppelt wichtig: Zum Einen wegen der Lastverteilung, und zum Anderen um zu Vermeiden, dass das Twitter API-Limit „gerissen“ wird. Also einfach aus der Liste eine „zufällige“ Instanz herauspicken
Bildbeschreibungen
Wen man Bilder einbettet, sollte an auch an deren Beschreibung denken. Die Möglichkeit habe ich ja bereits erwähnt, und auch den Hintergrund: Screenreader können nur Text vorlesen, sie können keine Bilder beschreiben. Menschen mit Sehschwäche haben daher mit Bildern ohne Beschreibung Schwierigkeiten. Wir können es ihnen leichter machen – und das sollten wir auch. Wer (ohne böse Absicht) die Bildbeschreibungen hin und wieder vergisst, kann sich von einem freundlichen Bot daran erinnern lassen. Beispielsweise indem man dem Please Caption Bot folgt. Der folgt einem zurück – und immer wenn man ein Bild ohne Beschreibung postet, antwortet er mit einem entsprechenden Hinweis. Besser spät als nie, gelle? Und mit der Zeit denkt man vielleicht immer öfter selbst daran
Backups
Es ist immer eine gute Idee, Backups zu haben – sei es für den Fall dass die heimische Instanz schließt, oder auch nur Toots/Media gelöscht werden. Dafür finden sich passende Einträge unter Einstellungen ›Import & Export – wo Ihr alle Eure Listen als CSV exportieren, aber auch ein Archive all Eurer Toots und medien anfordern könnt. Die CSV-Datein eignen sich auch vorzüglich für einen Umzug zu einer anderen Instanz, wo sie sich wieder importieren lassen. Das gilt leider nicht für Toots und Medien – und unglücklicherweise fehlen im Export derzeit auch Dinge wie Lesezeichen, Favoriten und Mentions. Für das Betrachten Eures Archivs gibt es Tools wie beispielsweise mav-z – und für ein vollständigeres Backup auch mastodon-backup. Zur Erstellung eines einmaligen (oder auch per Cron gesteuerten regelmäßigen incrementellen) Backups lässt sich dieses unter Linux gut mit einem einfachen Shell-Skript einsetzen:
myacc="nick@instance.tld" # anpassen, so dass dort Euer Mastodon-Account steht
# Backup erstellen/aktualisieren
mastodon-archive archive --with-mentions "$myacc"
mastodon-archive replies "$myacc"
mastodon-archive media --collection favourites "$myacc"
mastodon-archive media --collection bookmarks "$myacc"
# Optional: gleich HTML und Reports erstellen
mastodon-archive html "$myacc"
mastodon-archive html --collection favourites "$myacc"
mastodon-archive report --all "$myacc"
Update: mastodon-backup enthält nun auch ein Skript, welches das für Euch tun kann. Im neuen contrib/
Verzeichnis findet ihr mastoarch – welches Euch Eure Backups sogar mit Git versionieren lässt. Einfach ohne Parameter aufrufen, um mehr über Parameter und Möglichkeiten zu erfahren. Für einen Cron-Job böte sich etwa folgender Aufruf an: cd <archive_dir> && mastoarch -a JollyJoker@example.com archive >/dev/null
würde etwa den ersten obigen Block (mit optionalem Git-Commit) ausführen. Ersetzt man archive
mit backup
, dann beide Blöcke. Natürlich müsst Ihr den JollyJoker durch Euren eigenen Mastodon-Account ersetzen
Account Migration
Sollte einmal ein Umzug zu einer anderen Instanz anstehen, kann ich Euch wärmstens Josh’s wunderbaren Artikel Migrating a Mastodon Account empfehlen. Wie der Name bereits suggeriert, ist er allerdings in englischer Sprache verfasst, daher hier ein kurzes deutschsprachiges Exzerpt (von mir leicht angepasst):
- Erstellt ein neues Konto (auf der neuen Instanz)
- altes Konto: Exportiert alle Listen (CSV). Die Option dafür findet Ihr unter „Einstellungen › Import und Export“, dort einfach die entsprechenden „CSV“ Links klicken.
- neues Konto: Importiert die CSV-Listen („Einstellungen › Import und Export › Import“)
- neues Konto: Erstellt einen Alias („Einstellungen › Konto“, scrollen zu „Ziehe zu einem anderen Konto um“, dort dann „Konto-Alias erstellen“ und das „alte Konto“ eintragen). Es passiert dabei noch gar nichts; dies teilt Eurem neuen Konto nur mit, Daten vom angegebenen Konto entgegennehmen zu sollen.
- altes Konto: Archiv anfordern (siehe Backups. Dies kann i. d. R. einmal wöchentlich geschehen, also am Besten unmittelbar vor dem Umzug erledigen. Da hier nicht alles drin ist, auch alternatives Backup in Erwägung ziehen.
- STOPPT und schaut, ob Ihr wirklich alles aus dem alten Konto habt, das Ihr braucht (DMs etc). Der nächste Schritt ist oft der „Point of No Return“, an dem Ihr den Zugang zu Eurem alten Konto verliert!!! (Nach meiner Erfahrung besteht dennoch die Möglichkeit, die Migration zu stoppen und das alte Konto wieder zu reaktivieren – ich gebe aber keine Garantie dafür, und es bringt auch nicht Eure Follower zurück.)
- SEID IHR SICHER?!?
- altes Konto: Weiterleitung aktivieren („Einstellungen › Konto“, scrollen zu „Ziehe zu einem anderen Konto um“ und auf „hier konfigurieren“ klicken. Das neue Konto sowie das Passwort des ALTEN Kontos (auf dessen Server Ihr Euch ja befindet) eingeben und auf „Followers migrieren“ klicken.)