Das Fediverse – die bessere Social-Media-Welt?
Soziale Medien sind allgegenwärtig. Allerorten liest man: „Besuchen Sie unsere Facebook Fan-Page”, „Folgen Sie uns auf Twitter/Instagram”, „Treten Sie unserer WhatsApp-Gruppe bei”… Und allen dahinter stehenden Diensten sind mehrere Dinge gemein: Sie werden von großen Firmen betrieben, sind nicht transparent, bombardieren uns mit Werbung, sammeln unsere Daten (ohne dass wirklich klar ist, was mit diesen letztendlich geschieht – siehe auch die entsprechende Sektion meiner Link-Sammlung) – und halten ihre Nutzer in „walled gardens” gefangen, aus denen sich nur schwer ausbrechen lässt (eine Datenmitnahme ist nicht möglich, und schließlich heißt es „alle meine Freunde sind auch hier – warum sollte ich dann weg, und wo hin?”). Eine Kommunikation über Plattform-Grenzen hinweg ist ebenfalls selten möglich („Du bist nicht bei WhatsApp? Wie soll ich Dich dann erreichen?”).
Für die Mehrheit scheint dies eine unabänderliche Tatsache zu sein – und wird als solche hingenommen. Doch die Dienste im Fediverse zeigen, dass es durchaus auch anders geht.

In dieser Artikel-Serie:
- Teil 1: Das Fediverse – die bessere Social-Media-Welt?
- Teil 2: Mastodon: Microblogging in freundlicher Atmosphäre
- Teil 3: PeerTube: Peer-to-Peer Videos ohne Werbeeinblendungen
- Teil 4: Weitere dezentrale Dienste
- Teil 5: Apps
Was ist das Fediverse?
Der eine oder die andere mag bereits über das Wort gestolpert sein und sich gefragt haben: Welcher Hype ist das denn nun wieder? Wikipedia beschreibt das Fediverse wie folgt:
Fediverse (ein Kofferwort aus „federation“ und „universe“) bezeichnet ein Netzwerk föderierter, voneinander unabhängiger sozialer Netzwerke, Mikroblogging-Diensten und Webseiten für Online-Publikation oder Daten-Hosting. Das Konzept kam 2008 mit GNU Social auf und verbreitete sich 2016 vermehrt mit Mastodon und dem 2018 von der World Wide Web Consortium (W3C) definierten Kommunikationsprotokoll ActivityPub.
Im Klartext heißt dies: Keine „walled gardens” – sondern eine ganze Reihe von Diensten (und Anbietern), die miteinander verbunden sind – und über ein gemeinsames Protokoll namens ActivityPub miteinander kommunizieren.1 ActivityPub ist dabei ein Standard des World Wide Web Consortiums – was u. a. bedeutet, dass man sich auf stabile Schnittstellen verlassen kann. Dies macht es für Dienste einfacher, das Protokoll zu implementieren. Daher haben viele dies auch bereits getan, und etliche weitere werden folgen.
Dass alle Beteiligten auf diese Weise miteinander verbunden sind, bedeutet auch: Der Anwender benötigt nicht für jeden Dienst ein eigenes Konto, um mit Freunden „auf einer anderen Insel” zu kommunizieren. Das funktioniert sogar über verschiedene Dienste hinweg: Mit einem Mastodon-Account kann man beispielsweise auch einem Account bei Peertube folgen – und dort sogar aktiv kommentieren.
Welche Dienste finde ich im Fediverse?
Eine ganze Reihe, sodass hier nur eine Auswahl genannt werden soll. Diese jeweils mit Pendants aus der Welt der „walled gardens” zu vergleichen, hinkt jedes Mal; wenn dies hier dennoch geschieht dann nur, damit man eine grobe Idee aus der bekannteren Welt bekommt.
- Mastodon / Pleroma / GNU Social: Micro-Blogging Dienste (Analogon: Twitter)
- PeerTube: Zum Teilen und Anschauen von Videos (Analogon: YouTube)
- Friendica / Diaspora: Analogon zu Google+ bzw. Facebook
- PixelFed: Zum Austausch und Ansehen von Bildern (Analogon: Flickr)
- WriteFreely / WordPress: Blogging-Dienste
- Funkwhale: Für Musik (a la Spotify & Co)
- Nextcloud
Dies ist nur eine Auswahl der bekannteren Dienste. Zahlreiche weitere sind beispielsweise in der englischen Wikipedia und bei Fediverse.party aufgelistet, sowie bei GnuLinux vorgestellt.
Der große Unterschied
Anders als bei den eingangs genannten „walled gardens”, bei denen der Dienst fest in der Hand einer einzelnen Firma ist, sind Dienste im Fediverse dezentral. Es gibt also beispielsweise nicht den Mastodon Server, sondern tausende davon: Jeder kann seinen eigenen Mastodon-Server („Instanz” genannt) betreiben. Oder seinen PeerTube, Friendica, Funkwhale Server. Über das ActivityPub-Protokoll können diese alle miteinander kommunizieren. Etwa vergleichbar mit E-Mail, wo die Beteiligten ja auch nicht alle beim gleichen Anbieter registriert sein müssen.
Auch die Regeln werden nicht von einer einzelnen Firma aufgestellt: Jede Community (Mitglieder bei der gleichen Instanz) kann ihre eigenen Regeln aufstellen. So könnte beispielsweise eine PixelFed-Instanz nur Katzenbilder zulassen, während selbige bei einer anderen unerwünscht sind. Man wählt sich also eine Instanz, die einem zusagt – und kann dennoch mit Mitgliedern anderer Instanzen problemlos kommunizieren. Sogar ein Instanz-Wechsel ist möglich, und bei manchen Diensten kann man sogar die eigenen Daten einfach mitnehmen.
Bezahlt wird im Fediverse auch nicht mit den eigenen Daten. Eben so wenig wird man mit Werbung bombardiert. Die Finanzierung ist hier in der Regel spendenbasiert. Dabei kommen häufig Dienste wie Liberapay oder Patreon zum Einsatz. Nicht selten zahlen die Betreiber der Instanz jedoch auch finanziell drauf, obwohl sie bereits die ganze Arbeit mit der Serververwaltung zu bewältigen haben.
Wie groß ist das Fediverse?
Es gibt keine offiziellen und vollständigen Statistiken. Man muss seine eigene Instanz schließlich nirgendwo registrieren. Aber da in „Fediverse” ja das Word „Universe” enthalten ist: ziemlich groß. Tausende von Instanzen sind bekannt, die jeweils einen bis mehrere tausend registrierte Benutzer haben; die Zahl der Nutzer geht also zumindest in die Millionen. Wer sich das Universum gern veranschaulichen möchte, besucht beispielsweise Fediverse.space. Kennt man keine Namen, klickt man einfach die Sterne – und erhält dann Informationen zu der jeweiligen Instanz.

Einige Dienste (und wie man sie verwendet) werden in folgenden Artikeln kurz vorgestellt.